Feminismus in Genreromanen

Feministische Literatur besteht nicht nur aus Sachbüchern oder Romanen, die sich explizit um die Diskriminierung von Frauen drehen. Es gibt, das ist jedenfalls meine Meinung, auch viele feministische Romane in der Genre-Literatur. Also bei Fantasy-, Science-Fiction- und Liebesromanen, bei Krimis, Graphic Novels/Comics und historischen Romanen. Und zwar bei Geschichten, in denen Frauen die Hauptrolle spielen und nicht gerettet werden müssen.

Feminismus bedeutet Gleichstellung

Feminismus strebt die Gleichstellung an, nicht das Matriarchat, und deshalb „reicht“ es mir, wenn die weiblichen (Haupt-)Figuren als ebenbürtig dargestellt werden. Egal, ob sie sich in einer männerdominierten Romanwelt behaupten müssen, oder in einer phantastischen Welt als gleichberechtigt gelten.

Ein Roman z. B., in dem die Hauptfigur

  • aufbegehrt und mithilfe eines männlichen Buddys oder Liebhabers ihr Ziel erreicht, oder
  • von ihrem zukünftigen Lover misshandelt wird und im Laufe der Geschichte merkt, wie sehr sie ihn liebt

ist in meinen Augen kein feministischer Roman. Es ist ein Buch, das die Frauen als Opfer darstellt. Als Personen, die allein untergehen würden, aber dank der „guten“ Männer vom Boden aufgehoben werden.

Gleiches gilt natürlich für Kriminalromane (die kreischende Frau, die vom Helden gerettet und schließlich als Gefährtin angenommen wird), für Fantasyromane, in denen die Frau schmückendes Beiwerk des Helden ist usw.

Ich stehe selten auf solche Bücher. Sie sind nicht per se schlecht, es sind nur keine feministischen Romane.

Feministische Romane und #frauenzählen

Es gibt auch feministische Romane, die von Männern geschrieben wurden. Aber als BücherFrau möchte ich die Frauen sichtbar machen. Laut dem Forschungsprojekt #frauenzählen erhalten Autorinnen weniger Aufmerksamkeit in den Medien, und um dem etwas entgegenzusetzen, nehme ich hier nur Bücher von Autorinnen auf.

Im Vorfeld der Feministischen Buchwoche 2024 habe ich auf meinem Instagram-Kanal Genreromane vorgestellt. Ich habe sie nicht alle lesen können, aber ich habe die Autorinnen gebeten, zu beschreiben, warum diese Bücher feministisch sind. Da die Insta-Kacheln schnell nach unten rutschen und ich die vorgestellten Romane dauerhaft sichtbar machen möchte, habe ich dazu diesen Blog-Beitrag geschrieben, den ich gern laufend erweitere.

Wenn du möchtest, dass dein Buch hier vorgestellt wird, schreib es mir in die Kommentare und, wenn’s schnell gehen soll, schick mir auch eine Mail über die Kontaktseite.

Über Kommentare freue ich mich sowieso. Deine Gedanken zu diesem Artikel oder deine Meinung zu einem vorgestellten Buch – bitte lass mich und die anderen Leser*innen daran teilhaben und kommentiere unten!

Feministische Romane – eine Auswahl

Die Reihenfolge innerhalb der Genres ist noch beliebig, aber wenn hier eines Tages mehr als 50 Bücher stehen, dann denk ich mir ein Kriterium für die Reihenfolge aus. Was meinst du, was könnte ich nehmen? Alphabetisch nach Autorinnen-Nachname? Chronologisch nach Erscheinungsdatum? Aufsteigend nach Seitenanzahl 🙂 ?

Historische Romane

Altertumsromane

Historische feministische Romane, die im Mittelalter oder noch früher spielen

Marie ist mein Name (2024)

Birgit Constants Romanbiographie von Marie de France, der ersten bekannten Autorin der französischen Literatur, spielt im 12. Jahrhundert. Die epische Reise einer Frau führt dich durch Königshöfe und Länder, Sprachen und Dialekte, und ein halbes Jahrhundert französisch-englische Geschichte.

Die Wortflechterin (2021 – ’24)

Die Bardin Arduinna ist die Heldin von Marion Wieslers Keltenromanserie. Im ersten Teil verhilft sie dem (historischen) Herrscher Voccio zum Amt des Hochkönigs, Befehlshaber über viele Stämme. Arduinna ist keine Superheldin, doch sie ist eine starke Figur, die durch eigenen Willen und Durchhaltevermögen über steinige Wege an ihr Ziel kommt.

Salzberggöttin (2023)

Hallstatt um 600 v. Chr.: Bergleute fördern auf technisch hohem Niveau Salz. Renis, die Tochter von Bergherrin Sina, ist mit ihrem von einer langen Reise heimkehrenden Bruder konfrontiert, der die Regeln der Göttin nicht mehr befolgen möchte. Außerdem ist der Bund gefährdet, der den Salzberg mit einem weiten Umfeld verbindet und der jedes Jahr während des Bergfestes durch die Verteilung von Salz erneuert wird.

Während Renis einem Fremden näherkommt, der ihren Bruder aus dem Süden auf den Salzberg begleitet hat, geschieht auf dem Bergfest ein Unglück.

In dem Altertumsroman von Jutta Leskovar stehen starke Frauen im Mittelpunkt, die auch deshalb selbständig handeln können, weil sie in einer freien Gesellschaft agieren. Die Gesellschaftsstrukturen der Hallstattzeit sind ohne Schriftquellen nicht detailgenau rekonstruierbar, aber es spricht vor allem für den Fundort Hallstatt wenig für eine strenge Hierarchie oder eine Männerherrschaft zu lasten aller Frauen. Eine echte Gleichberechtigung ist denkbar und wurde, so die Autorin, auch deshalb als Hintergrund für den Roman gewählt, um eine Alternative zu den gängigen Interpretationen anzubieten, die nicht weniger wahrscheinlich ist.

Historische Romane Neuzeit

Historische feministische Romane, die nach dem Mittelalter spielen

Verschacherte Leben (2024)

Der vorerst letzte Teil von Barbara Schlüters Serie (2020 – ’24) um die eigensinnige Elsa Martin spielt in Hannover im ausgehenden 19. Jahrhundert. Elsa findet sich mit den vielen Beschränkungen für Frauen nicht ab. Vor allem gegen die schwierige Situation alleinstehender Mütter, nicht nur bei Dienstmädchen und Arbeiterinnen, lehnt sie sich auf. Das gilt ebenso für den internationalen Frauen- und Kinderhandel, über den zwar die Herren Abgeordneten im Reichstag diskutieren, aber wenig unternehmen.

Der Roman kann auch unabhängig von den vier ersten Bänden gelesen werden.

Alvine Hoheloh (2021 – 2024)

Der historische Liebesroman (Trilogie) von Amalia Frey spielt zu Beginn des 20. Jahrhunderts zu einer Zeit der politischen und gesellschaftlichen Umbrüche, die durch weibliche Perspektiven beschrieben wird. Dabei schauen wir nicht nur durch Alvines Augen, die junge Unternehmerin und Suffragette ist, wir erleben die Geschichten ihrer Freundinnen, von Zwangsheirat, Armut, Prostitution, Heimatfront, Hungerwinter, Mutterschaft, Arbeiterinnenaufstände, Politik …

“Blaustrumpf” (Band 1, 2021): Alvine Hoheloh könnte studieren gehen, aber auch das Unternehmen ihrer Familie leiten. Sie könnte den Mann heiraten, den sie liebt, oder einen reichen. Sie könnte frei sein oder Ehefrau. Freundin oder Geliebte. Eine respektable Frau oder glücklich. Aber Alvine will alles.

Phantastik

Historische Fantasy

Eresh und die zwei Planeten (2023)

Vor 4500 Jahren in Uruk: Eresh ist eine Außenseiterin, denn während ihre Mutter eine Sumererin aus wohlhabender Familie ist, gehört ihr Vater jenen Wesen an, die von den Menschen als Götter verehrt werden. Er stellt seine Tochter vor die schwierige Wahl, mit ihm zu seinem Heimatplaneten Nibiru zu kommen oder für immer auf der Erde zu bleiben.

Jasmin Engel lässt Eresh ihren eigenen Weg suchen und gehen, anstatt den Erwartungen anderer zu entsprechen. In der von Männern dominierten Welt des alten Sumer und später in der für sie fremden Heimatwelt ihres Vaters kämpft sie um Selbstbestimmung.

Die Götter müssen sterben (2021)

Der Roman erzählt die Geschichte von Troja neu: Artemis, die Göttin der Jagd, Herrin des Mondes und Hüterin der Frauen, prophezeit, dass das prunkvolle Troja fallen wird. Dann werden sich die Amazonen endlich an denjenigen rächen können, die ihresgleichen töteten, und die Welt beherrschen. So hoffen sie. Doch der Weg nach Troja ist voller Gefahren und Intrigen.

Nora Bendzko hat ein queerfeministisches Werk erschaffen; es geht zentral um Amazonen und ihre Kämpfe mit Helden und damit unweigerlich um Patriarchat und Geschlechterfragen. Der Autorin ist ein intersektionaler Ansatz wichtig, weswegen auch transgeschlechtliche und nichtweiße Figuren in dem Roman wichtige Rollen spielen.

Phantastik-Thriller

Die Güte des Goldes (2020)

Annegold Erol ist am Tiefpunkt angekommen. Doch trotz Beinbehinderung, Scheidung und einem leeren Konto weigert sie sich, mit 35 wieder von ihren Eltern abhängig zu werden. Sie zieht zu Jakob und Mexx und ist so sehr damit beschäftigt, normal sein zu wollen, dass sie gar nicht merkt, wie die größte Energie des Universums von ihr Besitz ergreift.

Der Roman von Claudi Feldhaus zeigt buchstäblich, wie weiblicher Schmerz die mächtigste Kraft im Universum erweckt.

Fantasy extra feministisch

Die Baumweltensaga (2020 – 2023)

Barbara Fischers Reihe erzählt bilderreich die Chronik der Baumwelten, in der sich Gottheiten verschiedener Pantheone treffen. Wie die Titel der Bände (Lilith, Freyja, Frigg) schon ankündigen, sind die Göttinnen hier die Hauptfiguren. Die wendungsreiche Handlung und die moderne Sprache erinnert mich an einen Comic, nur dass die Bilder (überaus deutlich und farbenfroh) im Kopf entstehen. Den Stil von Fischer würde ich mit dem von Douglas Adams in” Per Anhalter durch die Galaxis” vergleichen: humorig, flapsig und modern.

Was mir besonders gefallen hat, ist der Umgang mit Macht und Gewalt, der ganz anders daherkommt, als in den Fantasyromanen, die ich bisher gelesen habe. Klar, auch hier wollen die Guten gewinnen, aber nicht um jeden Preis. Auch Verhandeln ist gefragt, und es führt zum Ziel. Genau, eine Portion Philosophie ist auch in der Baumweltensaga enthalten. Aber mach dir selbst ein Bild!

High Fantasy

Welt der Schwerter (2021)

Der zweiteilige High-Fantasy-Roman von Esther S. Schmidt zeigt, dass Feminismus nicht nur eine Sache der Frauen ist. Typisch weiblich gelesene Eigenschaften sind auch bei männlichen Figuren positiv.

Prinz Siluren der Zauderer, der mit seiner Abneigung gegen Kampf und Krieg in einer Welt der Schwerter keinen leichten Stand hat. Zudem verliebt sich seine Verlobte, die Hohepriesterin Lynn, in seinen Halbbruder, Cordian den Kaltblütigen.

Ein Krieg zieht herauf, und Siluren der Zauderer ahnt, dass er mit einem Sieg endlich den Respekt des Vaters und die Liebe Lynns erringen würde – doch zu welchem Preis?

Eine Welt, die den besten Krieger zum König kürt, wird stets eine Welt der Schwerter bleiben.

Science Fiction

Nordland (2020)

Gabriele Albers Roman spielt in Hamburg im Jahr 2059. Deutschland ist nach einem Krieg gegen Russland in Stadtstaaten zerfallen, einer davon ist Nordland. Dort hat sich eine patriarchalische Oligopolen-Gesellschaft gebildet, die über Zugang zur Energie ihre Macht ausspielt. Frauen sind nur Dekoration und Verhandlungsmasse beim Verheiraten. Die Protagonistin Lillith findet allerdings heraus, dass das nicht immer so war und beginnt das System zu hinterfragen.

Dieser feministische Science-Fiction-Roman zeigt, wie schnell sich gesellschaftliche Regeln ändern können, also dass der Kampf um Gleichberechtigung nie „zu Ende“ ist, sondern immer das, was erreicht wurde, auch bewahrt werden muss. Sehr sehr aktuell!

Krimi

KaisersKinder (2023)

Bei diesem Krimi von Ursula Pickener geht es um Mobbing in Schulen. Ermittlerin ist hier die taffe Vertrauenslehrerin Maria Brehm, die sich, offenbar als einzige, um das Verschwinden einer Schülerin, Jana, Sorgen macht.

Maria Brehm verbringt ihre Zeit am liebsten mit ihren Tieren und einer Tasse Tee. Wenn aber eine Schülerin nicht mehr zur Schule kommt und es scheinbar niemanden interessiert, wird ihr Tee kalt und die Tiere müssen dabei helfen, sie zu finden.

Brehm lässt nicht locker. Sie begegnet Mobbing, Lügen und Ignoranz. Als Morddrohungen in der Schule ankommen, geht es plötzlich um Leben und Tod. Kann Brehm Jana retten?

KaisersKinder (2022)

Ein Toter treibt der Nordsee entgegen. Es stellt sich heraus, dass der Mann Lehrer war. Und dass er keines natürlichen Todes starb. Der Mord wirft einige Rätsel auf, denn im Leben des Pädagogen gab es düstere Abgründe … Seine Kollegin Maria Brehm mischt sich ein, weil sie überzeugt ist, dass die Polizei die Falschen verdächtigt.

Der Krimi von Ursula Pickener thematisiert die Bedeutung von Akzeptanz für Diversität und die Offenheit für selbstbestimmte Lebensentwürfe. 


Romance

How to travel (2022)

In der „Romanze auf hoher See & darüber hinaus“ hat Ally Moss hat auf keinen (Traum)Mann oder gar die große Liebe gewartet. Als sie auf einer unfreiwilligen Kreuzfahrtreise auf einen raubeinigen Mann trifft, erkennt die Depressive unbewusst einen Gleichgesinnten, und erfährt durch ihn unerwartet Beistand. Das bedeutet allerdings nicht, dass sie sofort an mehr denkt oder nicht mehr für sich selbst einstehen kann, denn TinaSusannes Heldin wartet nicht darauf, dass der Mann sie rettet.

Ally engagiert sich privat wie beruflich für Frauenrechte und für Frauen, die sexualisierte Kriegsgewalt erfahren mussten, und wehrt sich gegen übergriffige Männer, was dem Helden sehr imponiert. Wo andere Romanzen ein rosarotes Happy End offen lassen, beginnt bei TinaSusanne die Story von Neuem. Die begonnene Beziehung muss ausbalanciert und ausgehandelt werden, was nicht ohne Reibereien abgeht.

Erotik

Nächte mit Tom (2021)

Nina könnte rundum zufrieden sein: Mit 50 Jahren ist sie eine ebenso erfolgreiche wie passionierte Kochbuchautorin, glücklich verheiratet – und hat dennoch das Gefühl, etwas zu verpassen. Als sie bei einem Kochkurs den deutlich jüngeren Tom kennenlernt, geht die Fantasie mit ihr durch: Sie träumt von einer Affäre mit ihm. Und Tom ist nicht abgeneigt. Mit ihm betritt sie Neuland, das sie vollkommen in den Bann zieht. Endlich kann sie all ihre erotischen Fantasien ausleben.

Doch in Tarja Sohmers Roman wird das leidenschaftliche Tête-à-tête schon bald zum Spiel um Macht und Abhängigkeit, in das sich Nina heillos verstrickt.

Weitere Buchempfehlungen

Hier kommen Links zu Beiträgen hin, die ebenfalls feministische Bücher empfehlen, Genreromane oder Belletristik und Sachbücher. Kennst du weitere? Schreib sie mir bitte in den Kommentar.

Leseprobe

Erfahre, wie der historische Roman beginnt, und erhalte ab sofort

exklusive Einblicke in mein Autorinnenleben.

Cover Der silberne Kessel

Ich spamme nicht. Du kannst dich jederzeit abmelden. Weitere Informationen findest du in meiner Datenschutzerklärung.

3 Anmerkung zu “Feminismus in Genreromanen

  1. Gabriele Feile

    Liebe Charlotte,
    danke für diesen Blickwinkel. Ich lese kunterbunte Romane und erinnere mich nach Lesen dieses Beitrages an einige Bücher von Petra Durst-Benning. Die Serie „Die Fotografin“ (5 Bände + eine Kurzgeschichte) erzählt die Geschichte von Mimi Reventlow, die Anfang des 20. Jahrhunderts als Wanderfotografin durch Deutschland (und später die Welt) zieht. Sie erlebt bewegende Zeiten, Schicksalsschläge und auch die Liebe und blieb mir als starke Frau in Erinnerung. Petra Durst-Benning hat weitere historische Romane über starke Frauen geschrieben, die sich alle wunderbar lesen und dazu viele historische Details vor allem aus Deutschland liefern.

    Herzliche Grüße

    Gabriele Feile
    … die mit dem Schmetterling

    Antworten
    1. Charlotte Fondraz Autor des Beitrags

      Danke für den Tipp, liebe Gabriele! Ich hab gleich mal in das Buch „hineingeschaut“. Den Beruf der Wanderfotografin kannte ich gar nicht. Obwohl mein eigenes Profilbild hier auf meiner Webseite auch nach einer alten Methode (Kollodium-Nassplatte) gemacht wurde.

      Antworten
  2. Charly

    Suchst du nur neue Bücher, oder können die auch aus dem letzten oder vorletzten Jahrhundert sein?

    Antworten

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert