Die Reste von einem minoischen Adyton, auch Lustralbecken genannt, in Tylissos

Hast du schon einmal etwas von einem „Adyton“ gehört?

Mein Roman Der Prinz im Labyrinth spielt vor 3600 Jahren in Knossos auf Kreta. Der Roman erzählt modern und spannend die Sage vom Minotaurus. Dabei stützt sich die Handlung auf die minoische Kultur, die wir unter anderem durch die Gebäudereste kennen. Ein ganz besonderes Element der minoischen Architektur ist das sogenannte Adyton oder Lustralbecken. Beide Ausdrücke sind jedoch irreführend.

Reste der minoischen Kultur: ein sogenanntes Adyton aus Mallia, Kreta.

Die Abbildung zeigt die Reste eines Adytons in Mallia, Kreta. Man kann hier gut den typischen Grundriss erkennen: vorn die Treppe, die links von der Trennwand begrenzt wird, und dahinter den Hauptraum.

Foto von Olaf Tausch (4).

Adyton / Lustralbecken in der minoischen Kultur

Das Wort Adyton ist griechisch und bedeutet „das Unzugängliche“. In griechischen Tempeln bezeichnet Adyton den Hauptraum und beherbergt ein Bildnis der verehrten Gottheit. Für die minoische Kultur wird der Begriff aber ganz anderes verwendet. Hier ist das Adyton ein kleiner, in den Boden eingelassener Raum.

Das Wort Lustralbecken wurde von Arthur Evans, dem Entdecker von Knossos, eingeführt. Der Begriff Lustration bedeutet kultische Reinigung. Aber der Raum eignet sich nicht dafür, darin mit Wasser zu hantieren.

Weder Wasserabfluss noch Götterbildnis

In der minoischen Kultur verfügen viele große Gebäude (die sogenannten Paläste) über ein oder mehrere Adyta. Diese besaßen offenbar keine Decke. Auf jeden Fall wurden keine Anzeichen dafür gefunden. Natürlich hätte der Raum eine abnehmbare Abdeckung besitzen können, die keine Spuren hinterlassen hat.

Die Adyta besitzen einen gepflasterten oder verputzten Boden und sind über Treppen zu erreichen.

Die Reste von einem minoischen Adyton, auch Lustralbecken genannt, in Tylissos (minoische Kultur)

Adyton in Tylissos, Kreta, Foto von Olav Tausch (20).

Der Grundriss ähnelt stark dem von Mallia. Auch hier führt eine Treppe in den tiefer gelegten Raum hinab. Die Trennwand war wahrscheinlich früher höher, und man konnte nicht sehen, was in dem hinteren Teil des Raumes geschah, während man auf der Treppe hinunterging.

Wozu dient ein Adyton in der minoischen Kultur?

Wie schon oben erwähnt, gibt es in den Adyta keine Hinweise auf wasserdichte Beschichtung der Wände oder auf einen Wasserabfluss. Deswegen wurden diese Räume sicherlich nicht als Wasserbecken genutzt. Ich habe einen auf minoische Kultur spezialisierten Archäologieprofessor gefragt, ob hier möglicherweise Tiere in einem großen Terrarium untergebracht wurden. Aber offenbar ist das auszuschließen, weil diese Nutzung den Wandverputz und die Gipssteinplatten zerstört hätten.

Zum Arbeiten ist das Adyton unpraktisch (wenig Licht), zum Aubewahren von Speisen auch, denn die Treppe und die Zwischenwand nehmen viel Platz weg.

Rekonstruiertes Adyton (Lustralbecken) in Knossos

Ein Adyton im sogenannten Palast von Knossos wurde rekonstruiert (21). Die Höhe der Säulen und der Überbau sind natürlich spekulativ, doch das Foto gibt einen Eindruck davon, wie die vertieften Räume einmal ausgesehen haben könnten.

Der aktuelle Stand der Wissenschaft

Heute gehen die Expert*innen davon aus, dass das minoische Adyton wohl einen kultischen Zweck erfüllte. „Kultisch“, das kann viel heißen. Der Begriff ist absichtlich so weit gefasst, weil tatsächlich nicht bekannt ist, wer wann wieso diese Räume wozu benutzt hat. In manchen Fällen weisen die Bemalungen auf einen Initiationsritus hin. Vielleicht ging es um eine Handlung im Verborgenen und um das Sichtbarmachen danach.

Dieses Foto (22) zeigt einen Ausschnitt aus einem Fresko von der Insel Thira (Santorini). Das Fresko stammt aus einem Adyton aus Akrotiri. Da Akrotiri bei einem Vulkanausbruch verschüttet wurde, haben sich hier viele Zeugnisse der minoischen Kultur sehr gut erhalten. Die Person auf dem Fresko, wahrscheinlich eine Frau, pflückt gerade etwas. Das Fresko wird Die Safranernterin genannt.

Minoische Kultur, Fresko aus Akrotiri aus einem "Adyton": Eine Person (Frau?) pflückt etwas, wahrscheinlich erntet sie Safran.

Bemerkenswert finde ich, wie sehr sich die Adyta ähneln und wie häufig sie in der minoischen Kultur gefunden wurden.

Das Hausheiligtum in meinem Kretaroman

Ehrlich gesagt, zuerst hätte ich am liebsten das Adyton im Roman gar nicht erwähnt. Ich hatte keine Ahnung, welche Kulthandlung meine Figuren darin ausführen sollten. Bei dem Wort Kult fiel mir das Wort Tempel ein. Für die minoische Kultur sind wenig Tempel bekannt, und möglicherweise dienten oft natürliche Höhlen als Kultort.

Die Höhle, das war dann für mich das Stichwort: In meinem Roman ist das Adyton eine künstliche Höhle und wird Hausheiligtum genannt. Dort werden die Krüge für die Trankopfer geweiht und die Kinder geboren. Das passt gut zu dem Gedanken, dass etwas im Verborgenen geschieht und danach sichtbar gemacht wird.

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Wenn du noch mehr über Kretas archäologische Stätten erfahren willst, schau mal auf der Webseite von Meet Crete nach.

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